Eines Tages entschloss sich der Wahnsinn, seine Freunde zu einer Party
einzuladen.
Als sie alle beisammen waren, schlug die Lust vor, Verstecken zu spielen.
“Verstecken? Was ist das?” fragte die Unwissenheit.
“Verstecken ist ein Spiel: einer zählt bis 100, der Rest versteckt sich
und wird dann gesucht,” erklärte die Schlauheit.
Der Wahnsinn erklärte allen das Spiel und die Begeisterung jauchzte vor Vergnügen,
denn ihr gefiel, was sie da hörten.
Die Freude machte so viele Luftsprünge, dass sie auch den Zweifel überzeugte.
Aber nicht allen gefiel die Idee.
Die Wahrheit zum Beispiel bevorzugte es, sich nicht zu verstecken.
“Was bringt das?”, fragte sie, denn am Ende würde man sie sowieso entdecken.
Als alle einverstanden waren wie auch die Furcht und die Faulheit begannen sie zu spielen.
Der Wahnsinn war wahnsinnig begeistert und erklärte sich bereit zu zählen.
Das Durcheinander begann, denn jeder lief durch den Garten auf der Suche nach einem guten Versteck.
Die Sicherheit lief ins Nachbarhaus auf den Dachboden, man weiß ja nie.
Die Sorglosigkeit wählte das Erdbeerbeet.
Die Traurigkeit weinte einfach so drauf los.
Die Verzweiflung auch, denn sie wusste nicht, ob es besser war sich hinter oder vor der Mauer zu verstecken.
Das nächste fand die Faulheit, die sich wie immer keine große Mühe gab:
Sie ließ sich gleich hinter dem ersten Stein fallen.
Der Glaube stieg zum Himmel empor, wo er sich am besten aufgehoben fühlte, und der Neid versteckte sich im Schatten des Triumphes, der es geschafft hatte, bis zur höchsten Baumspitze hinaufzuklettern.
Der Selbstlosigkeit hingegen gelang es kaum, sich zu verstecken, da sie bei jedem Versteck, das sie fand, immer meinte, es eigne sich besser für einen ihrer vielen Freunde:
Ein kristallklarer See – ein wunderbares Versteck für die Schönheit;
Eine dunkle Höhle – das perfekte Versteck für die Angst;
Die Flügel des Schmetterlings – das Beste für das Glück;
Ein Windstoß – hervorragend geeignet für die Freiheit …
Sie selbst versteckte sich schließlich auf einem Sonnenstrahl.
Die Lüge erzählte allen, sie verstecke sich auf dem Meeresgrund, aber in Wirklichkeit versteckte sie sich hinter dem Regenbogen! und die Vergesslichkeit fand auch eins.
Als der Wahnsinn fast zu Ende gezählt hatte, hatten alle ein Versteck gefunden, nur die Liebe nicht, da die liebe schwer zu verbergen ist.
Alle Plätze schienen bereits besetzt zu sein, bis sie schließlich den Rosenstrauch entdeckte und beschloss, in eine seiner Blüten hineinzukriechen.
“…98,99,100!” zählte der Wahnsinn. “Ich komme euch jetzt suchen!”
Die erste, die entdeckt wurde, war die Faulheit gleich hinter dem ersten Stein!
Die zweite, die gefunden wurde, war die Neugier, denn sie wollte wissen, wer als erster geschnappt wird und lehnte sich zu weit heraus aus ihre Versteck.
Auch die Freude wurde schnell gefunden, denn man konnte ihr Kichern nicht überhören.
Vom vielen Herumlaufen bekam der Wahnsinn Durst und als er sich dem See näherte, fand er die Schönheit.
Mit der Zeit fand der Wahnsinn all seine Freunde und selbst die Sicherheit war wieder da.
Doch dann fragte die Skepsis: “Wo ist denn die Liebe?”
Alle zuckten mit der Schulter, denn keiner hatte sie gesehen.
Also gingen sie suchen.
Wo mochte sie bloß stecken?
Der Wahnsinn suchte sie überall!
Auf jedem Baum, auf jedem Berg, in jedem Bach dieses Planeten schaute er nach und wollte schon aufgeben, da half ihm der Verrat!
Der nämlich flüsterte ihm zu, er solle doch mal im Rosenbusch nachsehen.
Langsam fing der Wahnsinn an, die Zweige des Strauches auseinander zu schieben, als plötzlich ein greller Schrei ertönte.
Die Dornen der Rosen hatten der Liebe die Augen zerstochen!!!
Er bat um Vergebung, flehte um Verzeihung und bot der Liebe an, sie für immer zu begleiten und ihre Sehkraft zu werden.
Die Liebe akzeptierte diese Entschuldigung natürlich.
Seitdem ist die Liebe blind und wird vom Wahnsinn begleitet
Seit dieser Zeit, seit das erste Mal auf Erden Verstecken gespielt wurde, ist die Liebe blind
und der Wahnsinn ihr Begleiter!